Poetikvorlesung Wien
Ist es das Alter? Oder einfach eine eigenartige Verkettung von Umständen? Als Heidi Lexe, wunderbare Leiterin der Studien- und Beratungsstelle für Kinder- und Jugendliteratur (STUBE), sich im August 2018 meldet, steckt das Leben gerade in heftigen Turbulenzen. Ein langjähriges Filmprojekt geht auf die Zielgerade. Ich leite einen internationalen Writer’s Room mit zehn Autoren für eine holländische Gamingfirma. Vor allem aber liegt mein Vater im Sterben. Das ist die Situation, als die Einladung eintrudelt, im kommende Frühjahr nach Wien zu kommen.
Ein paar Monate später, kurz vor dem Termin, scheint sich die Lage komplett verkehrt zu haben. Der Film Es gilt das gesprochene Wort ist nun abgedreht und so gut wie fertig geschnitten. Die Holländer haben ihr Projekt aus firmeninternen Gründen auf Eis legen müssen. Nach der Beerdigung meines Vaters habe ich zwei Gedichtbände zusammengestellt und nun das erste Mal seit über einem Jahrzehnt keinerlei vertraglichen oder beruflichen Verpflichtungen mehr für den Moment. Bis auf die Poetikvorlesung.
Auf einmal denke ich: Was wäre denn, wenn man an dieser Stelle einfach Schluss macht, mit der Künstlerkarriere? Und darum geht es dann auch am 9. Mai 2019 im Hörsaal der Wiener Uni. Titel des Vortrags: Aufhören mit dem Schreiben.
Mit einem Horoskop im März 1988 hat es auch zu tun. Wäre das nicht ein hübscher Anfangssatz für eine Biographie? Aus dem Publikum kommt im Gespräch nach Lesungen diese Art Frage ja immer gerne: „Wie hat das bei Ihnen angefangen mit dem Schreiben?“ Oder auch: „Wie sind Sie Schriftsteller geworden?“ Welche Erwartungen das Publikum an die Antwort hat? Der Wunsch nach einer guten Geschichte dürfte jedenfalls groß sein: Wer als Erzähler auf einer Bühne in die Öffentlichkeit tritt, schürt ja automatisch gewisse Hoffnungen.
Aus dem Vorlesungsskript
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